Das schreibt die Presse:
Südwest-Presse Ulm am Freitag, den 23.08.2019
„Der Schlüssel liegt in der Abwehr“
Handball Der neue Cheftrainer des TSV Blaustein, Sandro Jooß, ist sich der schweren Aufgabe in der Dritten Liga bewusst. Doch er sieht sein Team gut aufgestellt.
Von Manuela Harant
Der Tag von Sandro Jooß ist straff durchgetaktet: Erst der Arbeitstag als Führungskraft in einem Ulmer Labor, dann fast jeden Tag Training mit dem TSV Blaustein für das „Abenteuer Dritte Liga“, das am Samstag (20 Uhr) in Oppenweiler beginnt. Zwischen diesen beiden „Schichten“ spricht der neue Chefcoach der Handballer bei einem Glas Wasser im FTZ Blaustein gleich neben der Lix-Sporthalle über seine Erwartungen an die Saison.
Zur Person Sandro Jooß: Erfolgreich als Spieler und Trainer
Spätestens seit dem Durchmarsch mit der SG Herbrechtingen/Bolheim von der Bezirksliga bis in die Württembergliga ist Sandro Jooß (35) ein begehrter Trainer. Vergangenes Jahr coachte der 35-Jährige mit Stephan Hofmeister die A-Junioren des VfL Günzburg in der Bundesliga. Der studierte Chemiker arbeitet in einem Ulmer Labor der Eurofins und lebt mit seiner Freundin Regina in Herbrechtingen. "Ich bin froh, dass sie mich voll unterstützt und den Aufwand in der 3. Liga akzeptiert", sagt der 35-Jährige, der die Region vor allem durch sein langjähriges Engagement als Spieler beim SC Vöhringen (2007 bis 2016) kennt.
Wie lange haben Sie überlegt, als das Angebot aus Blaustein kam?
Sandro Jooß: Ich musste erst einmal mit meinem Arbeitgeber abklären, dass ich wieder ein größeres Engagement annehme.
Und was hat der dazu gesagt?
Mein Chef hat mir die Zusage gegeben, solange die Arbeitsleistung nicht darunter leidet. Er war selbst Sportler.
Gab es noch andere Angebote?
Es gab von der Württembergliga bis zur Dritten Liga mehrere Angebote. Aber das hier hat mich sehr gereizt. Schließlich habe ich bisher in der Dritten Liga leider nicht gespielt oder trainiert. Das ist eine riesige Chance für mich als junger Trainer, aber natürlich auch eine große Herausforderung für alle.
Nach der Aufstiegseuphorie müssen Sie die Jungs wahrscheinlich vorerst auch nicht extra motivieren...
Erst einmal nicht, aber ich habe schon gemerkt, nachdem wir die ersten Testspiele gewonnen hatten, ließ die Trainingsintensität auch mal ein bisschen nach. Da war die klare 27:37-Niederlage gegen Balingen II gerade der richtige Dämpfer.
Welches Vorbereitungsfazit können Sie nun ziehen?
Von der Physis her haben wir sicher gut zugelegt im Kraft- und Ausdauerbereich. Das war ein wichtiges Ziel. Handballerisch müssen wir natürlich die Neuen weiter integrieren. Die sind zwar schon gut dabei, aber noch nicht vollständig in der Mannschaft, was nach sieben Wochen Vorbereitung aber normal ist.
Generell haben Sie keinen großen Umbruch im Team verschmerzen müssen. Neben Marcel Glück, der beruflich kürzer tritt, findet sich nur Rupert Wieja nicht mehr im Kader. Und Adrian Wowra hat sich am Saisonende das Kreuzband gerissen...
Das ist allerdings ein sehr schmerzlicher Verlust. Er wurde in der BWOL zum besten Abwehrspieler der Liga gewählt, das kommt nicht von ungefähr. Er ist vorerst als helfende Hand als zusätzlicher Physio bei uns dabei, aber weiterhin nahe an der Mannschaft – und es reizt ihn natürlich schon nochmal, in der dritten Liga zu spielen. Aber ob er nach so einer schweren Verletzung nochmal zurückkommen will, ist noch offen.
Welche Rolle haben Sie Ihren drei Neuzugängen zugeschrieben?
Die beiden Jungen, Louis Dück und Devin Ugur, werden zwar noch ein bisschen Zeit brauchen. Mittelfristig werden sie uns aber sicher helfen können. Zumal auf den Positionen Mitte und Kreisläufer ein jeweils anderer Spielertyp als bisher unser Spiel variabler gestalten wird. Eigentlich wollten wir neben dem Halbrechten David Tovmasyan noch einen weiteren Linkshänder. Das hat aus unterschiedlichen Gründen aber leider nicht geklappt. Die Mannschaft ist aber auch mit Rechtshändern auf Halbrechts aufgestiegen und war damit erfolgreich.
Das Trainerteam ist ebenso wie die Mannschaft personell gewachsen mit einem zusätzlichen Co- und Torwarttrainer. Wie teilen Sie sich künftig die Aufgaben mit ihm und Spielertrainer Jan Behr auf?
Die finalen Entscheidungen treffe ich und bin für die Taktik sowie den Angriff zuständig. Jan als Spielertrainer hat als Mann vom Fach natürlich die athletischen Themen mitgeplant und übernimmt in der Spielvorbereitung den Schwerpunkt Abwehr. Mein Co Boris Fischer unterstützt mich im Training sowie bei der Statistik und der Videoanalyse. Torwarttrainer Thomas Baumgart macht eine separate Einheit pro Woche mit den Torhütern und unterstützt bei der Vorbereitung auf die gegnerischen Torhüter. Außerdem tauschen wir uns bei Spielen in der Pause noch einmal aus, was uns aufgefallen ist, bevor wir mit der Mannschaft sprechen.
Mit welcher Abwehr werden Sie den TSV Blaustein denn künftig aufs Feld schicken?
Wir bleiben bei der 3-2-1 als erste Deckung. Wir müssen aber Adi Wowra auf Vorne-Mitte ersetzen, das haben wir jetzt erst einmal mit Niklas Kiechle und Jannik Staiger gemacht. Auch ein Patrick Rapp hat das mal gespielt, das müssen wir auf mehrere Schultern verteilen. Alternativ haben wir dann noch eine 6- 0 als defensivere Variante getestet. Das kommt dann immer auf den Spielverlauf an.
Wie ambitioniert ist für die Spieler der Sprung in die Dritte Liga. Können sie das höhere Niveau überhaupt über den Sommer adaptieren?
In der dritten Liga sind die Spieler in den meisten Fällen körperlich etwas stärker als in der vierten. Gleichzeitig sind sie mindestens gleich athletisch oder sogar noch schneller. Deswegen haben wir den Schwerpunkt auf Kraft und Beinarbeit gelegt, damit wir da gut vorbereitet sind. Aber generell würde es sehr helfen, wenn wir die Abwehrleistung vom letzten Jahr bestätigen und an kleinen Stellen verbessern können. Das war ja das Prunkstück, aber das ist dennoch eine Herausforderung, das in der höheren Liga noch einmal so souverän hinzubekommen.
Die Defensive also als Schlüssel zum Klassenerhalt?
Das kann man so sagen. Alle Mannschaften, die ich trainiert habe, hatten ihren Schwerpunkt in der Abwehr. Das ist der Schlüssel, um Spiele zu gewinnen. So kommt man auch zu mehr leichten Toren, die wir auch brauchen werden, um erfolgreich zu sein. Zudem wird in 95 Prozent der Fälle die beste Abwehr Meister und nicht der beste Angriff.
Welches sind Ihre Meisterschaftsfavoriten in der dritten Liga?
Ich schätze Dansenberg sehr stark ein.
Was sagen Sie dann zum Auftaktprogramm mit dem Start in Oppenweiler, dem Heimspiel ausgerechnet gegen Ihren Favoriten Dansenberg und dem Württemberg-Derby in Plochingen?
Naja, ich hätte gerne zumindest einen der beiden Auswärtsgegner zu Hause gehabt, weil man bei den anderen vom Papier her zumindest größere Chancen hat, zu Hause zu gewinnen. Aber letztlich muss man eh gegen alle zweimal spielen. Und wer weiß, Dansenberg hat eine weite Anfahrt und kennt uns so früh in der Saison noch nicht. Das muss jetzt auch kein Nachteil sein.
Welche Teams werden mit Ihnen um den Klassenerhalt kämpfen?
Das ist sehr schwierig zu sagen. Es gibt keine richtig schwache Mannschaft. Auch die anderen Aufsteiger haben sich verstärkt. Wir Trainer rechnen alle mit einer sehr breiten dritten Liga. Zunächst müssen wir uns aber schon an den Mitaufsteigern Plochingen und Hochdorf messen. Für uns wird einfach das wichtigste sein, dass die Kernspieler über die Saison gesund bleiben. Dafür geben wir alles und haben sogar ein neues Tool angeschafft.
Was ist das für ein Tool?
Das nennt sich Sideline XPS und ist ein Programm, das alle Profiteams und viele Nationalmannschaften zur Trainingssteuerung nutzen. Da tragen die Spieler jeden Tag ihre Parameter von der Schlafqualität bis zum Muskelkater ein, woraus errechnet wird, in welchem Intensitätsbereich sich jeder Spieler aktuell befindet. Dementsprechend kann man reagieren, insbesondere bevor es vielleicht wegen längerer Zeit des Übertrainings zu einer Ermüdungsverletzung kommt. Die Daten werden dauerhaft vom Ärzteteam um Alexander Henze und mir gesichtet, um immer einen Überblick zu haben.
Na. dann kann ja 2019/2020 fast nichts mehr schiefgehen...
Ich weiß natürlich, dass das keine Spiele gewinnt. Aber es unterstützt.
Der TSV Blaustein 2019/2020 auf einen Blick
Zugänge: Louis Dück, Devin Ugur (beide VfL Günzburg A-Jugend), David Tovmasyan (TV Bad Saulgau).
Abgänge: Marcel Glück (pausiert), Rupert Wieja (Ziel unbekannt)
Verantwortliche: Sandro Jooß (Trainer), Jan Behr (Spielertrainer), Boris Fischer (Co-Trainer), Thomas Baumgart (Torwart-Trainer), Ingo Behr (Team-Manager), Sebastian Schmid (Sportlicher Leiter).
Saisonziel: Klassenerhalt.
Saisonstart: HC Oppenweiler/Backnang - TSV Blaustein (Sa. 20 Uhr). Erstes Heimspiel: TSV Blaustein - TuS 04 Dansenberg (Samstag, 31. August, 20 Uhr).
Quelle: SWP Ulm